Demokratie-Demontage

Seit ca. 10 Jahren bin ich für die Grünen nun Wahlzeuge, seit ein paar Jahren Wahlbeisitzer.

WahlzeugInnen kann jede gewählte Partei entsenden, WahlbeisitzerInnen nur jene Parteien die ausreichend Stimmen bei der letzten Nationalratswahl bekommen haben. Entscheidend ist dafür, wie auch für die Mandatsvergabe, das d`Hondtsche Höchstzahlverfahren. Im Burgenland haben die Grünen aufgrund ihrer Wahlergebnisse z.B. in lediglich 13 von 171 Wahlgemeinden das Recht, WahlbeisitzerInnen zu stellen.

Es gibt diese Funktionen für das Wahllokal (Gemeindewahlbehörde) und dann für die Bezirkswahlbehörde.  Der Unterschied: WahlzeugInnen dürfen nur zuschauen, WahlbeisitzerInnen dürfen aktiv am Wahl- und Auszählvorgang teilnehmen und sind dafür auch verantwortlich.

Man kann nicht von jedem und jeder erwarten, dass er/sie die Wahlordnung vollständig liest. Es gibt einerseits das Bundespräsidentenwahlgesetz, darüber hinaus gelten auch Bestimmungen der Nationalrats-Wahlordnung.  Gesetze lesen ist das eine, seine Umsetzung verstehen das andere. Ich erwarte mir von WahlleiterInnen und den Parteien (die bekommen dafür ja auch bezahlt), dass sie die Leute gut einschulen und ihnen die Möglichkeiten der Kontrolle aufzeigen. Es gibt dazu ausreichend Material, etwa ab wann ein Wahlzettel gültig oder ungültig ist.  Wesentlich ist immer der Leitsatz: „Der WählerInnen-Wille muss eindeutig erkennbar sein“. Hier zB. eine Anleitung zur BP-Wahl 2004 zwischen Heinz Fischer und Benita Ferrero-Waldner: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/bundespraes/files/bpwahl_04_gueltig_ung_stz.pdf

Zur Wahlanfechtung mag man stehen wie man will. Klar ist: die Praxis der Auszählung ist nicht neu, und kleine ärgerliche und unnötige Fehler gibt es wohl immer. Wie auch immer, Tatsache ist, dass zur Zeit ein an sich gutes Wahlsystem demontiert wird und man sich – meiner Ansicht nach meist zu Unrecht – lustig über jene macht, die die Auszählung der Wahlkarten durchführen. Ja, ein Teil der Auszählung basiert auch auf Vertrauen in die BehördenvertreterInnen. Wenn ich Protokolle unterschreibe, achte ich auch nicht auf das Datum, sondern auf die Inhalte. Genau solche Fehler werden aber jetzt öffentlich durch den Kakao gezogen.

So begrüßenswert die öffentliche Zeugenbefragung durch die 14 VerfassungsrichterInnen einerseits ist, so traurig ist anderseits das öffentliche „abwatschen“ der etwa 90 ZeugInnen. Die FPÖ hat ihre Helferleins ohnehin praktisch ausgeliefert. Einige werden sich jetzt vor Gericht verantworten müssen, und die Meinung über unser Wahlsystem und die Auszählung ist anständig ramponiert. Ich bin mir sicher, zu Unrecht – ja es gibt Verfehlungen und Schlampereien, aber nirgendwo – und dies haben bisher auch alle FPÖ-BeisitzerInnen gesagt – ist auch nur der Anschein einer absichtlichen Manipulation entstanden. Österreich hat ein gutes Wahlsystem, auf das man sich weitgehend verlassen kann, getragen von vielen Ehrenamtlichen. Wenn wir allerdings diese so behandeln wie jetzt stellvertretend die 90, wer wird sich dann noch für dieses Ehrenamt melden, wenn man dann sogar von der eigenen Partei „fallen gelassen wird“.
Vor allem die FPÖ rüttelt seit längerem an den Grundfesten der österreichischen Demokratie, verspielt das Vertrauen in Rechtsstaat und Gesetzen und RichterInnen leichtfertig und leider ist der Aufschrei der anderen Parteien kaum vorhanden. Eher im Gegenteil: Viele PolitikerInnen rütteln eifrig mit und stimmen in den Chor „es ist alles so schlimm und ungerecht“ noch kräftig ein.

Ich finde diese Entwicklung besorgniserregend und teilweise unumkehrbar. Der angerichtete Schaden ist riesengroß. Österreich steht nun bei vielen da, als ein Land im Herzen der EU, das es nicht schafft, seine Wahlen korrekt ablaufen zu lassen und UNO-WahlbeobachterInnen braucht, wie es manche leider gar nicht mehr scherzhaft formulieren. Die FPÖ ist hier nicht alleine schuld daran, aber ganz wesentlich, und der FPÖ ist das auch egal. Es geht ihr lediglich um rein egoistische Beweggründe, dafür gehen sie über Leichen. Egal ob es demokratische oder auch ihre eigenen Leute betrifft.

Der Vollständigkeit halber hier noch der Link zum Bundespräsidentenwahlgesetz: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/bundespraes/FILES/BPraesWG_2016.pdf

Da viele Punkte auch die Nationalrats-Wahlordnung betreffen, hier auch diese: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001199

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